Aus alter Wurzel neue Kraft Teil 3

Aus alter Wurzel neue Kraft Teil 3

16. Aug – 27. Sep 2020, Wassenberg & Heinsberg

Im dritten Teil der Ausstellungsreihe „Aus alter Wurzel neue Kraft“ führt Tim Berresheim einige seiner zentralen Bildmotive zurück in den Kontext, dem sie entstammen. Damit legt der in Wassenberg und Heinsberg aufgewachsene Künstler autobiografische Bezüge seines Schaffens offen und erzeugt vielschichtige Rückkopplungen zwischen dem digitalen Raum seiner Arbeiten und der Umgebung in situ. Nach Stationen in Los Angeles und Aachen mit Ausstellungen unter dem Titel „Aus alter Wurzel neue Kraft“ ergibt sich nun eine besondere Symbiose zwischen Berresheims Kunst und dem Ausstellungsort.

Berresheim gehört seit Beginn der 2000er Jahre zu den international treibenden Kräften der computerbasierten Kunst. In seinen digital generierten Modellen gegenwärtiger visueller Kulturen, mit all ihren hybriden Versatzstücken aus der Kunst- und Bildgeschichte, lotet er immanente Gestaltungsspielräume, Bedeutungen und Möglichkeiten für eine künftige künstlerische Praxis aus. Auf dem jeweils aktuellsten Stand des technisch Machbaren sucht er immer neue Bildfindungen.
In seinen künstlerischen Forschungen verbinden sich Hightech und eine DIY-Mentalität, die bereits die frühen Computer-Art-Pionier*innen der Sechzigerjahre oder des Homebrew Computer Club auszeichneten. Seine künstlerische Archäologie der Gegenwart durchstreift die Archive des Bestehenden, um in der Aneignung und Transformation dieses Materials auf zukunftsweisende Potenziale zu spekulieren. Künstlerische Praxis wird so zum andauernden Lernprozess. Die Qualitäten neuer Medien zeigen sich in der Auseinandersetzung mit älteren – wie schon Marshall McLuhan wusste.

Für die Ausstellung in Wassenberg und Heinsberg knüpft Berresheim nun auch an eine emanzipatorische und pädagogische Tradition der computerbasierten Kunst an, wie sie u. a. von Experiments in Art and Technology (E.A.T.), dem Whole Earth Catalog (WEC), Seymour Papert oder den Kybernetikern Gregory Bateson und Heinz von Foerster vertreten wurde. Gemeinsam mit den Schüler*innen der Gemeinschaftsgrundschule am Burgberg in Wassenberg und dem Kreisgymnasium Heinsberg – wo er auch selbst Schüler war – entwickelt Berresheim eine umfangreiche Aufgabenstellung und Unterrichtsbegleitung. Die Ergebnisse aus Malerei, Zeichnung, Tonformung, digitaler und chemischer Bildherstellung, Fotogrammetrie, Informatik und Datenverarbeitung sowie Locationscouting werden dann vom Künstler zusammengeführt und durch weitere seiner Arbeiten zu einem Gesamtkunstwerk ergänzt.

Im Gefüge der dezentralen Ausstellung an ausgewählten Orten in Wassenberg und Heinsberg ergeben sich daraus komplexe Reflexionsebenen auf den Ort, die Arbeiten der Kinder und Jugendlichen, die visuelle Kultur der Gegenwart und nicht zuletzt auch auf das Œuvre von Berresheim.

Die Werke der Ausstellung werden als Tafelbilder, Druckgrafiken und Textilarbeiten ab August 2020 im Wassenberger Bergfried, der ehemaligen Produktionshalle der Glanzstoff AG und der Villa Glanzstoff in Heinsberg-Oberbruch sowie in den beiden Schulen zu sehen sein. Im Begas Haus, dem Museum für Kunst und Regionalgeschichte Heinsberg, wird es begleitend eine dokumentarische Ausstellung geben, in der neben Bildstudien, Filmdokumentationen und 3D-gerenderten Bewegtbildern auch die Werke der Schüler*innen gezeigt werden, die die Herstellungsprozesse des gesamten Ausstellungsprojektes beleuchten. Dies ermöglicht es den Schüler*innen, über die Zusammenarbeit mit Berresheim auch als eigenständige Autor*innen sichtbar zu werden und ihre Kreationen dem Gesamtkunstwerk sowie den Werken des Künstlers zur Seite zu stellen. Alle Ausstellungsorte sind Teil einer permanenten digitalen Kunst-Route, die mit dem Fahrrad oder per pedes durch die Natur des Kreises Heinsberg führt und zentrale Kulturstätten sowie Orte des gesellschaftlichen Lebens aufsucht. Begleitet von einer Augmented-Reality-App werden die computergenerierten Kunstwerke an öffentlichen Orten gezeigt, an denen Menschen sich begegnen.

In diesem umfassenden Ausstellungskonzept situiert Berresheim seine Arbeit der letzten zwanzig Jahre in dem soziokulturellen Kontext, in dem er aufgewachsen ist und aus dessen Fundus er immer wieder schöpft. Innerhalb seines Œuvres wird dieser Ausstellung damit eine besondere Schlüsselrolle zuteil, da über die kunsthistorischen und technologischen Referenzen hinaus seine Arbeiten auch als reflektierte Resonanzräume visueller und gesellschaftlicher Kultur für heterogene Rezipient*innen lesbar werden. Der Ausstellungsparcours schafft vielfältige mediale Zugänge und Situationen, die den institutionellen Rahmen der Kunstrezeption erweitern und entgrenzen. Anstelle einer Auflösung von Kunst in Lebenspraxis ermöglicht Berresheim eine differenzierte Wahrnehmung ihrer wechselseitigen Bezüge. Scheinbare Barrieren zwischen Kunst, Technik und Gesellschaft werden dabei mit Leichtigkeit aufgehoben.